Ersteindruck: Baldur’s Gate 3

Die 1998 gestartete Spielreihe Baldur’s Gate ging nach über zwei Jahren im Early-Access Anfang August vollumfänglich und offiziell in die dritte Runde. Larian Studios haben Baldur’s Gate 3 entwickelt und mit den Divinity Original Sin-Spielen bewiesen, dass sie stimmungsvolle Computerrollenspiele produzieren können. Ist ihnen nun mit Baldur’s Gate 3 ein großer Wurf gelungen, oder sollte das Spiel lieber in seiner Fantasywelt „Vergessene Reiche“ vergessen bleiben?

Ich bin momentan bei ca. 50 Spielstunden angekommen und kann daher noch kein abschließendes Fazit abgeben. Da mich aber das Spiel noch eine ganze Weile beschäftigen wird, gibt es nun einen ersten Zwischenstand meines Eindrucks.

Der Einstieg

Zunächst muss man sich entscheiden, ob man einen eigenen Charakter erstellen möchte oder in die Rolle einer der vorgegebenen Personen schlüpfen will. Die Entscheidung fällt nicht leicht, denn klar ist, dass allein schon diese Auswahl den Spielverlauf beeinflussen wird. Ich habe mich für einen eigenen Charakter entschieden, wohl wissend, dass ich bestimmt noch einmal einen Durchlauf spielen werde. Beim Charakterdesign gibt es eine überschaubare Auswahl an Rassen und Klassen, weit weg von dem erschlagenden Umfang, den das Pen&Paper-Spiel mittlerweile zu bieten hat. Körperliche Merkmale können einschränkungslos definiert, kombiniert und individualisiert werden.

Der Einstieg ins Spiel ist cinematisch gehalten und setzt die Weichen für die große Hauptquest: Eine Gedankenschinder-Invasion nach Faerûn hat begonnen und die eigene Spielfigur ist Opfer einer besonderen Infektion, in deren Verlauf man sich schlussendlich selbst in einen Gedankenschinder verwandeln wird. Dies gilt es natürlich aufzuhalten und ist der große Storyantreiber. Aber längst bleibt es nicht bei dieser Quest, sondern zahlreiche Nebenereignisse sorgen für reichlich Ablenkung. Früh trifft man auf andere Leidensgenossen wie beispielsweise die Klerikerin Shadowheart und bildet eine Abenteuergruppe. Die Gruppengröße ist auf vier beschränkt, d. h. überzählige Gefährtinnen und Gefährten warten im Lager, wo man die Gruppenzusammensetzung ändern kann.

Spielmechanik & Steuerung

Ich spiele mit Maus und Tastatur, was grundsätzlich gut funktioniert. An die Kameraführung muss man sich zunächst etwas gewöhnen, da diese nicht völlig frei bewegbar ist. Das hat bei mir aber schnell gut geklappt. Das Spiel bietet einen rundenbasierten Modus, der bei Kämpfen immer aktiv ist, aber auch sonst wahlweise angeschaltet werden kann, um bei manchen Situationen nicht hektisch klicken zu müssen. Außerhalb des Kampfes habe ich den Rundenmodus jedoch bisher nur ein einziges Mal gebraucht. Eine Person der Gruppe wird gesteuert, was nicht zwingend die eigene Spielfigur sein muss. Diese Hauptperson geht voran, der Rest folgt, mehr oder weniger sinnvoll. Gelegentlich werden etwas abenteuerliche Wege unternommen, um aufzuschließen, kommt aber eher selten vor. Es ist in der Welt wahnsinnig viel anklick- und erforschbar, man sollte also die Augen aufhalten und sich nicht unbedingt darauf verlassen, dass Interessantes bzw. Wichtiges mit Leuchtstift markiert ist.

Die vertonten Gespräche bieten oft zahlreiche Antwortmöglichkeiten, mit denen man auch die grundsätzliche Haltung seiner Spielfigur festlegt. Reagiert sie abwertend, verständnisvoll oder neutral? Immer wieder sind teils schwere Entscheidungen durch die Antwort zu treffen. Die Bewegungsfreiheit im Spiel gibt es auch bei Dialogen, denn fast immer kann man sich auch entscheiden, z. B. anzugreifen. Ob das sinnvoll ist und was das für Konsequenzen danach hat, ist natürlich eine andere Frage …

Im Kampf ist der Rundenmodus aktiv, was die Kämpfe sehr taktisch und stressfrei macht. Ein Tutorial gibt es nicht, es wird vorausgesetzt, dass man die D&D-Regeln kennt oder sich anderweitig informiert hat. Im Vergleich zur Pen&Paper-Version gibt es jedoch Abweichungen (Beispiele):
– Es kann zwischen Fern- und Nahkampfwaffe beliebig hin und hergewechselt werden, ohne eine Aktion dafür aufzuwenden oder die Waffe fallen lassen zu müssen.
– Inspiration zum Neuwürfeln bei einem Fehlschlag ist im Kampf nicht möglich.
– Die Help-Action ist nur dazu da, im Sterben liegende Gefährten zu stabilisieren
– Die Ready-Action fehlt komplett.

Kämpfe sind hier oft hart und tödlich. Mit der Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit geht einher, in einen aussichtslosen Kampf stolpern zu können … Regelmäßiges Speichern ist sehr empfehlenswert.

Weltdesign und Quests

Faerûn sieht großartig aus. Mit viel Liebe zum Detail wurden die Gebiete gestaltet und bilden die gewünschte Stimmung sehr gut ab. Es herrscht weitestgehend Bewegungsfreiheit, auch wenn die Gruppe nicht so kletterfreudig ist, wie beispielsweise Aloy in Horizon Zero Dawn. Allerdings würde das auch zu Baldur’s Gate 3 nicht passen. Durch Berge und Schluchten, Bäume, Felsen und Brücken sind tolle dreidimensionale Biome entstanden, die auch gerade bei Kämpfen spannend sind. Vieles kann wie gesagt angeklickt, geöffnet oder verschoben werden, wodurch die Welt sehr greifbar wird und nicht bloß schöne aber unnahbare Kulisse. Um eintönige Reisezeiten zu reduzieren, gibt es magische Wegpunkte, die zur Teleportation genutzt werden können.

Neben der Hauptquest warten natürlich zahlreiche interessante Nebengeschichten darauf, entdeckt und erlebt zu werden. Diese werden toll erzählt und unterstützen die Tiefe der Welt, welches es absolut wert ist, entdeckt zu werden. Ein Stück weit muss man das allerdings auch, da für einen Gebietswechsel ein bestimmtes Level dringend empfohlen wird. Die eigenen Begleiter bleiben nicht beliebig wirkende Gehilfen, sondern haben eigene Persönlichkeiten und ihre eigene Story, die sich nach und nach entfaltet. Das ist wirklich großartig und birgt so manche Überraschung. Insbesondere im eigenen Lager werden die persönlichen Charakterstories vorangetrieben.

Die musikalische Untermalung ist sehr gelungen, auch die Geräuschkulisse kann sich hören lassen und erhöht die Immersion.

Aber …

Baldur’s Gate 3 ist ein großartiges Spiel geworden, aber nicht frei von einigen Macken. Kleinere graphische Bugs sind noch vorhanden, die aber sicherlich mit der Zeit weggepatched werden können. Automatisierte Gelegenheitsangriffe der Gefährten auf vertriebene Untote ist beispielsweise ebenfalls nicht sehr sinnvoll. Weiterhin ist das Inventorydesign noch etwas unglücklich. Getragene Ausrüstung und der Rucksackinhalt sind schon arg nah beieinander.

Wie schon gesagt kann vieles angefasst und gelootet werden. Dadurch wird das Ganze aber auch ein wenig ramschlastig. Man stopft sich die Rucksäcke mit allerlei Tant voll, um den dann beim nächsten Händler/Händlerin zu verscherbeln, damit die Ausrüstung verbessert werden kann. Zahlreiche Schriftstücke und Bücher reichern die Welt zwar mit stimmungsvollen Infos zur jeweiligen Örtlichkeit an, aber auch das reiht sich im Inventar aneinander. Hier wäre eine automatische Zusammenführung in ein Kompentium schön, um das Inventar nicht zu überlasten und Übersichtlichkeit herzustellen. Gefunden Schlüssel werden beispielsweise in einem Schlüsselbund geführt, was dieser Lösung ja entspricht.

Größtes Manko ist für mich jedoch das Schweigen der eigenen Spielfigur. Wirklich alles und jeder spricht in Baldur’s Gate 3, was ein Novum und wahnsinniger Aufwand ist. Um so schwerer fällt ins Gewicht, dass die eigene Spielfigur in Dialogen beharrlich stumm bleibt. Bei mir bewirkt das eine gewisse Distanz zu dieser Person. Zu V bei Cyberpunk 2077 konnte ich viel besser eine Beziehung aufbauen und auch mitfiebern. Das Schicksal meiner Begleiterinnen und Begleiter mit ihren teils bewegenden persönlichen Geschichten ist deutlich interessanter und emotionaler aufgeladen, als die eigene Spielfigur. Zusätzlich dazu stimmt bei manchen Szenen die Blickrichtung der Spielfigur nicht, was es derangiert aussehen lässt.

Zudem bin ich auch etwas irritiert bzw. enttäuscht, dass nach 50 Spielstunden die namensgebende Stadt zwar viel und oft erwähnt wird, aber noch in weiter Ferne wirkt. Ich kann aber erst nach Abschluss des Durchlaufes sagen, ob diese inhaltliche Gestaltung sinnvoll ist.

Fazit

Baldur’s Gate 3 ist ein großartiges Computerrollenspiel in den Forgotten Realms, der wohl bekanntesten aller Dungeons & Dragons-Welten, geworden. Die zu bespielenden Gebiete wurden mit viel Liebe zum Detail designed und lassen sich frei erkunden. Zahlreiche Nebenquests und Begegnungen reichern die Hauptstory an. Der rundenbasierte Modus verhindert Stress und Hektik. Die dreidimensionalen Gebiete machen insbesondere Kämpfe sehr interessant und taktisch. Die vierköpfige Abenteuergruppe kann nach eigenen Wünschen zusammengestellt werden. Die getroffenen Gefährten haben eine eigene Hintergrundgeschichte, welche die Figur sehr interessant macht. Die Steuerung funktioniert, lediglich die Kamerapositionierung wird manchmal zur kleinen Herausforderung. Neben einigen technischen Bugs kann die unvertonte eigene Spielfigur eine gewisse gefühlte Distanz bewirken und im Gegensatz zu den emotionalen Begleiterinnen und Begleitern unnahbar sein. Der reichliche Loot ist oft nur Ramsch und Mittel zum Zweck, die eigene Ausrüstung durch Verkauf/Kauf aufzuwerten. Eine Schlüsselbund-Lösung für die gefundenen Schriftstücke und Bücher wäre wünschenswert.

Für ein endgültiges Fazit muss ich natürlich das Spielende abwarten. Insgesamt aber habe ich bisher viel Spaß mit dem Spiel, noch keine Spielstunde bereut und bin gespannt, wie es weitergeht.

Wie denkt ihr über Baldur’s Gate 3? Sagt es mir gern in den Kommentaren 🙂

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